Samstag, 18. April 2020

Ausschluss von Insolvenzanfechtungen

Nach § 2 Abs. 1 Ziffer 4 COVInsAG sind auch Insolvenzanfechtungen ausgeschlossen, wenn die Insolvenzantragspflicht nach § 1 dieses Gesetzes ausgesetzt ist. In § 2 COVInsAG ist geregelt, dass in diesen Fällen Rechtshandlungen, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar nicht anfechtbar sind; dies gilt nicht, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Entsprechendes gilt für
a) Leistungen an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber;
b) Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners;
c) die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht
werthaltiger ist;
d) die Verkürzung von Zahlungszielen und
e) die Gewährung von Zahlungserleichterungen.


Der Hintergrund für diese Bestimmung ist, dass der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten kann (§ 129 Abs. 1 InsO). Das Anfechtungsrecht dient also der Beseitigung von Gläubigerbenachteiligungen. Eine Benachteiligung der Gläubiger liegt in der Regel vor, wenn die Befriedigung der Gläubiger vereitelt, vermindert, erschwert oder verzögert wird. Was durch die anfechtbaren Handlungen aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, wegge­geben oder aufgegeben ist, muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden (§ 143 Satz 1 InsO). Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, so lebt seine Forderung wieder auf (§ 144 Abs. 1 InsO).

Die Insolvenzordnung regelt eine Reihe von konkreten Anfechtungsmöglichkeiten. Für eine sogenannten kongruente Deckung, auf die § 2 Abs. 1 Ziffer 4 COVInsAG abstellt gilt, dass nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Rechtshandlung anfechtbar ist, die einem Insolvenzgläubiger Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,
  • wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, 
  • wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und 
  • wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte .
In den Fällen, in denen die Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG ausgesetzt ist, liegt Zahlungsunfähigkeit vor. Allerdings besagt diese Vorschrift, dass dennoch nicht Insolvenzantrag gestellt werden muss. Die Anfechtungsmöglichkeit im Falle eines späteren Insolvenzverfahrens würde jedoch die Handlungsmöglichkeiten so einfrieren, dass nach Beendigung der Krise praktisch kein Wiederanfang möglich wäre.

Dies wird an folgendem Beispiel verdeutlicht:

Das Ladengeschäft des Kaufmanns A musste infolge der öffentlich-rechtlichen Anordnungen schließen. Die Umsätze blieben aus und nach wenigen Tagen waren alle finanziellen Reserven von A weitgehend aufgebraucht. A hoffte, dass er nach der Beendigung der Krise seine Einnahmeausfälle wieder ausgleichen könne, aber er wusste auch, dass dies viele Monate dauern würde. Zunächst war er zahlungsunfähig, weil er die offenen Rechnungen seiner Lieferanten nicht bezahlen konnte. 
A deckte einen Teil seiner Einnahmeausfalle dadurch ab, dass er bei telefonischen Bestellungen oder bei Bestellungen über das Internet, Waren auslieferte. Er brauchte hierzu neue Waren des Lieferanten B. Dieser war nur bereit, neue Ware zu liefern, wenn die offenen Rechnungen der bereits vor dem Schließen seines Ladengeschäfts gelieferten Waren beglichen werden, wobei er ihm Ratenzahlungen abbot. A zahlte dem B diese Rechnungen in Raten. 
A erreichte in dieser Weise über viele Wochen, dass er wenigsten teilweise Umsätze erzielen konnte und er erwartete, dass nach der Wiederöffnung seines Ladengeschäfts die Einnahmen so gut anziehen werden, dass er alle bisherigen Verluste dadurch decken konnte. So war es auch anfangs. A konnte sein Ladengeschäft wieder eröffnen und die Einnahmen zogen an. Aber nach wenigen Wochen wurde A krank, da der Stress der vergangenen Wochen und Monate seine Kräfte weitgehend aufgezehrt hatte, so dass er über weitere Wochen nicht arbeitsfähig war. Er sah keine Chance mehr, sich über Wasser zu halten und zum Jahresende 2020 stellte er Insolvenzvantrag und das Insolvenzverfahren wurde eröffnet. 
An sich könnte der Insolvenzverwalter nun die Zahlungen an B zurückfordern, die A in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag an ihn geleistet hat, weil er die Zahlungen erhielt, als A zahlungsunfähig war und B dies wusste. Aber § 2 COVInsAG steht einer solchen Anfechtung entgegen.




Donnerstag, 16. April 2020

Die Risiken aus der Pflicht zur Masseerhaltung (z.B. bei der GmbH nach § 64 GmbH) wurden für die Corona-Krise entschärft

Eine der größten Risiken für Geschäftsleiter, z.B. Geschäftsführer einer GmbH, ergibt sich in der Krise des Unternehmens aus der Vorschrift des § 64 GmbHG. Nach § 64 Satz 1 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geleistet werden. Nach § 64 Satz 1 GmbHG gilt dies nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. 

Daraus folgt, dass diese Vorschriften zur Pflicht zur Masseerhaltung dem Geschäftsführer grundsätzlich jegliche Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nach Eintritt der Insolvenzreife verbieten.

Diese Vorschriften haben zum Ziel, Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern bzw. für den Fall, dass der Geschäftsführer dieser Massesicherungspflicht nicht nachkommt, sicherzustellen, dass das Gesellschaftsvermögen durch die persönliche Haftung des Geschäftsführers wieder aufgefüllt wird, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht. Sinn und Zweck des Zahlungsverbots des § 64 GmbHG ist also, die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern. 

Aufwendungen können in diesem Stadium nur erfolgen, wenn sie im Interesse der Masseerhaltung notwendig sind. Dafür ist der Geschäftsführer darlegungs- und beweispflichtig. Der Geschäftsführer geht also ein erhebliches Risiko ein, wenn die GmbH zahlungsunfähig ist, er nicht Insolvenzantrag stellt, etwa weil er die dreiwöchige Antragspflicht noch ausschöpfen will, um die Gesellschaft zu retten, und er in dieser Zeit Zahlungen vornimmt, z.B. Lieferanten bezahlt. Er weiß ja nicht, ob er mit der Argumentation dem späteren Insolvenzverwalter gegenüber durchkommt, dass es sich um Zahlungen gehandelt hat, die zu diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes erfolgt sind. 

Im Hinblick auf die öffentlichen Maßnahmen zur Begrenzung der Corona-Pandemie würde sich diese Problematik aus der Pflicht zur Masseerhaltung und der persönlichen Haftung des Geschäftsführers bei einem Verstoß dagegen in erheblicher Weise realisieren. Ein vorsichtigter Geschäftsführer würde oftmals lieber inaktiv sein, nur um kein persönliches Haftungsrisiko einzugehen und damit in Kauf nehmen, dass das Unternehmen zerschlagen wird.

Wenn z.B. eine Gaststätten-GmbH wegen der Schließung der Gaststätte keine Einnahmen mehr hat, aber Zahlungen z.B. für Mitarbeiter, Pacht und bereits eingekaufter Speisen und Getränke fällig sind und der Geschäftsführer bis auf weiteres nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungen vorzunehmen, müsste er an sich innerhalb längstens drei Wochen ab der Schließung und der Fälligkeit der Zahlungen Insolvenzantrag stellen. Zwar ist diese Insolvenzantragspflicht für diese Fälle nach dem COVInsAG ausgesetzt, jedoch bleibt nach wie vor die Zahlungsunfähigkeit und damit das Masseerhaltungsgebot bestehen. Deshalb war es konsequent, die Zahlungsverbote zu lockern, weshalb in § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG geregelt ist, dass Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne der § 64 Satz 2 GmbHG, § 92 Absatz 2 Satz 2 AktG (für den Vorstand einer AG), § 130a Absatz1 Satz 2, auch in Verbindung mit § 177a Satz1, HGB (für den Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG) und § 99 Satz 2 GenG (für den Vorstand einer Genossenschaft) vereinbar ist.Geschäftsleiter sollen bei der Fortführung des Unternehmens nicht durch die engen Grenzen der genannten Vorschriften beschränkt werden. Sie sollen vielmehr die erforderlichen Maßnahmen ergreifen können, um das Unternehmen im ordentlichen Geschäftsgang fortzuführen. Das schließt nicht nur Maßnahmen der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs ein, sondern auch Maßnahmen im Zuge der Neuausrichtung des Geschäfts im Rahmen einer Sanierung.


Dienstag, 14. April 2020

Tipps für Unternehmer anlässlich der Corona-Pandemie

Bis zum 30.09.2020 sind zunächst die Insolvenzantragspflichten ausgesetzt. Das bedeutet, dass etwa der Geschäftsführer einer GmbH, wenn er zahlungsunfähig ist, nach § 15a InsO nicht innerhalb von drei Wochen Insolvenzantrag stellen muss, wenn die Zahlungsunfähigkeit auf die Pandemie zurückzuführen ist. War das Unternehmen am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVI-19-Pandemie beruht.

Wenn das Unternehmen allerdings schon vor dem Auftreten der Pandemie in der Krise war, könnte es durchaus sein, dass dem Geschäftsführer später Insolvenzverschleppung vorgeworfen wird, weil die Zahlungsunfähigkeit nicht auf die Pandemie zurückzuführen ist. Unternehmen, die sich schon vor der Pandemie in der Krise befanden, sollten jetzt die Beweise sichern, dass sie am 31.12.2019 noch nicht zahlungsunfähig gewesen waren.

Die mit der Krise zusammenhängenden Fragen sollten gestellt und schon vorsorglich beantwortet werden:
  • Wenn die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, weil bestimmte Aufträge nicht erteilt wurden, sollten die Beweise gesichert werden, dass das Eintreten der Pandemie für die Nichterteilung der Aufträge unsächlich waren.
  • Gleiches gilt dafür, wann welche Kunden Zahlungen aus welchen Gründen nicht geleistet haben. 
  • Wenn Bestellungen, die schon 2019 erteilt wurden, nunmehr nicht bezahlt werden können, sollte dokumentiert werden, wie der Liquiditätsplan zum 31.12.2019 die später fälligen Zahlungen gedeckt hätte. 
Ganz grundsätzlich sollte die Situation des Unternehmen, die Handlungen und Erwartungen und das Konzept zum Stichtag 31.12.2019 dokumentiert werden. Und diese Dokumentation sollte dann dadurch ergänzt werden, welche dieser Annahmen durch das Eintreten der Pandemie nicht eingetreten sind.